Als ich in den 1980er in Porto ankomme, regnet es. Bei schmuddeligem Wetter schlagen wir auf dem »Campismo« unser Zelt auf und kämpfen in den nächsten Tagen mit der Nässe. Die Klamotten sind feucht, die Stadt versinkt in einem düsteren Grau, und das in Portugal so schöne Licht löst sich auf seinem Weg von der Sonne zur Erde buchstäblich auf. Im Jahre 2012 habe ich mehr Glück. Als ich am frühen Nachmittag, aus Lisboa kommend, am Campanhã-Bahnhof aussteige, scheint die Sonne. Ich gucke nochmals genau hin, doch es ist tatsächlich so: Alle Menschen laufen in luftigen Klamotten durch die Gegend. Regenschirme sind weit und breit nicht zu sehen. Kein Vergleich also zu den vergangenen Zeiten.
Der Taxifahrer fährt eine interessante Route mit mir. Vielleicht hätte ich skeptisch werden können, weil er jedes Abbiegen begründet. Aber ich bin voller Vorfreude auf die nächsten Tage, und so habe ich es hingenommen, eine Straße nach unten und in der parallel verlaufenden Straße wieder nach oben zu fahren. Die paar Meter zu meinem Hotel kosten mich 9 Euro. Ich mag das Wort »Luftlinie« nicht so gern, doch hier bekommt es einen neuen Sinn, denn der Unterschied zu den gefahrenen Metern ist frappierend.
Überhaupt scheinen sich immer mehr Taxifahrer unbotmäßig bereichern zu wollen. Ein Taxifahrer in Lisboa fuhr erst dann einen »korrekten« Weg, als ich ihm sagte, dass ich die Strecke zum Flughafen kenne und kein Interesse an einer Sightseeing-Tour hätte. Wie auch immer: Meine erste Erfahrung in Porto ist also nicht sehr erfreulich.
Auch im Hotel muss ich mein viel zu gelbes Zimmer nach einer lauten Nacht tauschen gegen eines nach hinten raus, mit Terrasse und schönem Blick auf Porto. Schade, dass ich erst meckern muss, bis die Dinge so laufen, wie ich es gern habe.
Ich schlendere durch die Fußgängerzone und sehe an einem zentralen Platz eine Straßenbahn, die so hässliche Farben hat, dass ich vor lauter Schreck sofort wieder nach Lissabon zurückfahren möchte. Doch meine Fassungslosigkeit ist schnell verflogen, als ich ihn endlich sehe, zum zweiten Mal in meinem Leben und voller Vorfreude auf die Lichtstimmung, denn, wie bereits erwähnt, komme ich mit schlechten Erinnerungen in diese Stadt. Und da ist er nun, sich romantisch von links nach rechts windend, voller Farbklekse in Form von kleinen Ausflugsbooten, majestätisch und geheimnisvoll zugleich wirkend: Der Douro ist in Sichtweite und auch die geniale von Eiffel erbaute Brücke aus Stahl mit ihrem gigantischen Bogen und den doppelstöckigen Wegen über das Wasser: Unten für Menschen und Autos, oben für die Metro. Ich setze mich vollkommen verzückt auf eine Kaimauer und beobachte das Treiben um mich herum.
Dieses Hafen-Flair ist wunderschön. Formschöne Boote fahren vorbei. Am Fluss entlang herrscht ein reges Treiben, die Cafés sind gut besucht. Immer wieder wendet sich mein Blick zu dieser Brücke über den Douro, fast magnetisch, voller Bewunderung darüber, was Menschen zu konstruieren in der Lage sind. Ich brauche noch einige Minuten, um ehrfurchtsvoll über die Ponte Luíz I zu schreiten. Auf der anderen Seite erwarten mich die Portweinschiffe. Die Portweinkellereien und ihren leckeren Inhalt lasse ich heute mal links liegen. Einige der Boote werden mit ihren Fässern von der Sonne gut ausgeleuchtet. Und auch die Blicke auf die andere Seite und die Brücke sind interessant. Ich habe Glück mit dem Wetter und kann einige Fotos machen, denn schon kurze Zeit später kommen in Windeseile mehr und mehr Wolken, und der Himmel wandelt sich zu einer finsteren grauweißen Masse, die nichts Gutes erahnen lässt. Kaum gedacht, fängt es auch schon zu regnen an. Ich trinke noch eine Bica und beschließe, heute meine Post zu erledigen und einige Dinge im Internet nachzusehen.
Porto ist ein idealer Ausgangspunkt für Touren den Douro entlang, in den Norden nach Viana do Castelo und zum Minho, nach Braga und Guimarães. In Porto selbst finde ich großzügig gestaltete Plätze mit schönen Gebäuden, aber auch Viertel mit verfallenen Häusern und ihren tristen Fassaden. Und viele Autos, deren BesitzerInnen auch in engen Gassen schnell fahren müssen. Die Autoabgase sind besonders an heißen Tagen schwer erträglich. Unverständlich, warum die Stadtverwaltung hier nicht mehr verkehrsberuhigte Zonen einrichtet und die FahrerInnen zwingt, langsamer zu fahren.
Die Menschen in Porto finde ich hilfsbereit und freundlich. Ich habe leckere Kuchen gegessen und köstliche warme Speisen. Aber keine Regel ohne Ausnahme. Denn ein Essen am Mittag geht mir nicht aus dem Kopf: Wie kann eine KöchIn auf die Idee kommen, kleine Häckbällchen ausschließlich mit Reis und Pommes Frittes zu servieren? Kein Gemüse, keine Soße. Das ist einfach nur einfallslos und scheint auf den schnellen Euro ausgerichtet zu sein. Nächstes Mal werde ich in jedem Fall vorher fragen, was da so alles auf den Teller kommen soll.
Porto ist eine Stadt, die entdeckt werden will. Schließlich ist sie ja auch nicht gerade klein. Nun habe ich immerhin gesehen, dass es hier nicht nur regnet. Damit ist klar: Ich werde noch mal wiederkommen. Allein schon wegen des Douros. Dieser Fluss fasziniert mich. Auf der Fahrt den Douro entlang lässt schlechtes Wetter leider kaum schöne Lichtstimmungen zu. Viele Augenblicke lassen jedoch erahnen, welche Stimmung hier herrscht, wenn sich die Sonne häufiger blicken lässt. Es ist längst ein kleines Abenteuer, die ganzen Serpentinen rauf und runter zu fahren von Pinhão nach Porto. Und als der Regen immer heftiger wird und die Dunkelheit einsetzt, ist es mit der Romantik schnell vorbei, und ich bin heilfroh, als ich das frühabendliche Porto endlich erreiche. Doch auch Regua, Lamego und Pinhão werde ich im nächsten Jahr wiedersehen. Da bin ich mir sicher.
Die Tage vergehen wie im Fluge. Und nun sitze ich schon wieder im Zug nach Lissabon und fühle mich zerrissen von den widersprünglichen Gefühlen, die ich in mir trage. Porto – was ist das? Die wundervolle Stimmung am Douro mit den Schiffen, den Weinfässern und dem maritimen Flair an Brücken und im Hafen. Und dann die vielen dunklen unbewohnten Häuser, die engen Straßen mit den rasenden Autos und dem Smog. Träumen ist nicht ratsam in dieser Stadt, denn Träumen wird von AutofahrerInnen mit gnadenlosem Hupen bestraft.