Lissabon oder Lisboa, wie die PortugiesInnen sagen, das ist »meine« Stadt. Das war Liebe auf den ersten Blick, in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Und diese Liebe hat bis heute gehalten. Städte sind bekanntlich erwartungsärmer als die meisten Menschen.
Ich erinnere den ersten Augenblick noch, als wäre es heute. Mit dem Zug vom Algarve kommend, geht es in Barreiro nicht weiter. Es dauert einige Minuten, bis ich begreife, dass der Rest des Weges mit der Fähre zu bewältigen ist. Und sich mit der bahneigenen Fähre bei wunderschönem Sommerwetter in gemächlichem Tempo auf die Stadt zu zubewegen: Diese halbe Stunde werde ich nie vergessen! Nicht nur, dass ich mir die Bica und den Florentiner in den folgenden Jahren als Ritual bei der Anreise nach Lisboa bewahre. Diese Sicht vom Tejo auf die Silhouette der Stadt, der blaue Himmel, die intensiven Farben, dazu die Neugier und das intensive Spüren von etwas Besonderem, aber noch nicht Fassbarem: Dieses Gefühl können nur diejenigen mit mir teilen, die dem Charme der portugiesischen Metropole auch hoffnungslos verfallen sind.
Ich komme am Terreiro do Paço an, verlasse mit meinem Gepäck eigentlich nur die Fähre, habe aber das Gefühl, magischen Boden zu betreten. Und dann, ein paar Schritte weiter, sehe ich ihn, den »schönsten Parkplatz Europas«, wie mal jemand über den damals von Autos gesäumten Praça do Commercio spöttelte. Das kann man sich nach der kompletten Restaurierung samt Verkehrsberuhigung heute gar nicht mehr vorstellen.
Nachdem ich meine kleine Pension am Largo Trindade Coelho gefunden habe, nimmt alles Weitere seinen Lauf. Mit jedem Spaziergang entdecke ich mehr Ecken und Winkel dieser so vielfältigen Stadt. Ja, ohne Zweifel: Es ist Liebe auf den ersten Blick. Und diese Liebe wird jede Sekunde genährt von interessanten Eindrücken, sympathischen Menschen, tollen Cafés, schönen Gassen, wohltuenden Düften und Gerüchen.
In diesen »alten« Zeiten sind mir einige Diskotheken wesentlich wichtiger als heute. Das hat schon was, nach einem Rundgang durch einige Bars des Bairro Alto tanzen zu gehen. Kennt ihr noch die »Salsa Latina« in Alcântara, direkt am Tejo, wo man mit südamerikanischen Rhythmen beschallt wurde. Vom Band, aber auch von atemberaubender Live-Musik. Tja, gibt es viel Schöneres, als beschwingt von schöner Musik, in Begleitung netter Leute zu tanzen, zu plaudern, Wodka Lemon zu trinken und dann auf die Terrasse zu gehen, den Tejo in seinem nächtlichen Schlaf zu bewundern und total durchgeschwitzt festzustellen, wie schön das Leben doch sein kann?
Ich habe diese Liebe zu Lissabon bewahrt und immer zu schätzen gewusst. Auch wenn die Anreise mittlerweile mit dem Flugzeug stattfindet: Ich spüre jedes Mal dieses starke Kribbeln in mir, schon während des Fluges, wenn ich am Gepäckband auf meinen Koffer warte, dann im Taxi beim Vorbeifahren an bekannten Orten. Und ganz doll dann, wenn ich der wundervollen Pensionswirtin Fernanda in die Arme falle, um ihr endlich mein »Boa tarde, tudo bem?« ins Ohr zu hauchen. Spätestens dann bin ich in einer anderen und in meiner zweiten Welt angekommen. Wer weiß, vielleicht verschmelze ich eines fernen Tages noch einmal mit dieser großen Liebe. Auf jeden Fall lade ich dich herzlich ein, weiterzulesen über meine Eindrücke, Erlebnisse, Gedanken und Träume in und über Lisboa. Ich wünsche dir viel Spaß dabei und hoffe, dass dir – wenn du noch nicht vom Lisboa-Virus infiziert sein solltest – das eine oder andere so nahe geht, dass du dich in absehbarer Zeit aufmachst, um Lisboa selbst zu entdecken. Und natürlich musst du dann berichten, was du erlebt hast. Klar: Neugierig bin ich auch noch. Was hast du denn gedacht?